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Der Kosmos grenzenloser Geschwisterlichkeit von Papst Franziskus. Eine Analyse seines Denkens und seines daraus folgenden Handelns.

Unter dem Pseudonym Vigilius führt der Autor eine bemerkenswerte neue Perspektive in die Kritik des derzeitigen Pontifikats ein und legt diese in einer messerscharfen Analyse vor. Diese neue Perspektive, die internationale Aufmerksamkeit verdient, muß in ihrer Schlußfolgerung erschüttern. In der Vergangenheit wurde ansatzweise und in groben Zügen bereits in eine ähnliche Richtung gedacht, doch das Erkannte ließ offensichtlich viele zurückschrecken. Der Autor hat diesen Schauder nicht nur überwunden, sondern ist der Frage systematisch und konsequent nachgegangen und hat das Erkannte als neuen Ansatz in der Beurteilung des aktuellen Pontifikats auch ausformuliert. Dabei geht es um nichts weniger als die Existenz der Kirche.

Vigilius wird mit anderen Autoren ab Mai zu theologischen und philosophischen Themen auf dem neuen Blog www.einsprueche.com veröffentlichen. Wir dürfen also auf weitere bemerkenswerte Texte gespannt sein und wünschen dem neuen Projekt alles Gute.

Der große Verlust oder das Pontifikat des Jorge Bergoglio

Von Vigilius*

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Der verabschiedete Christus

Nimmt man die Aussagen des Papstes ernst, ist der Schluß unvermeidbar, daß es in seinem geistigen Kosmos jenes übernatürliche Sein in Christus nicht mehr gibt, für das die Märtyrer in den Tod gingen, die Missionare, angefangen bei Paulus, unter härtesten Entbehrungen die Welt bereisten, das zugleich die Einsiedler der Welt den Rücken zukehren ließ und das kontemplative Ordensleben begründete, das das sakramentale priesterliche Amt sowie die Liturgien und großartigen Kirchenarchitekturen hervorbrachte, in denen sich der übernatürliche Lebenszusammenhang vermittelt und feiert. Das bedeutet aber ebenso unvermeidlich, daß es für Jorge Bergoglio nicht nur die Kirche als den mystischen Leib Christi, sondern grundlegend den Christus selber nicht mehr gibt.

Eugenio Scalfari hatte nach einem seiner Interviews mit Franziskus – vom Vatikan undementiert – behauptet, der Papst würde nicht an die Gottheit Jesu Christi glauben. Ich halte es im Kontext der tatsächlich verifizierbaren Aussagen Jorge Bergoglios für hoch plausibel, daß Scalfari hier korrekt zitierte. Wie sollte Franziskus auch an die Gottheit Jesu glauben können, wenn es doch gerade dieses theologische Prädikat ist, das entscheidenderweise die Theologie der universalen natürlichen Brüderlichkeit jenseits sekundärer religiöser Traditionen verunmöglicht?

Wenn Jesus der Christus, die inkarnierte zweite göttliche Person ist, dann kann sein Wirken auf gar nichts anderes abzielen als auf die Konstitution jenes übernatürlichen Lebenszusammenhanges, der in der durch die heiligmachende Gnade eröffneten mystischen Einheit mit ihm selber besteht. Dann ist er selbst, und zwar er allein in Person, die göttliche Wahrheit, dann ist sein Tod ein stellvertretender Sühneakt zur Ermöglichung gerade dieser Einheit, dann entscheidet sich die Frage des ewigen Heils und Unheils allein an ihm, dann ist er selber der zentrale Gegenstand der Anbetung, dann muß sich jedes Knie vor ihm beugen. Wenn er der Christus ist, dann sind die Sakramente als sein eigenes Handeln am Menschen zum Heil unabdingbar, dann ist die Kirche sowohl die zentrale Heilsmittlerin als auch die übernatürliche Communio mit Christus selber, dann muß es Mission geben, die darauf abzielt, alle Menschen zu ihm als dem Christus zu bekehren. Ist er der Christus, dann kann es keine kirchliche Gottesrede ohne Christologie geben, weil er ja der einzige Weg zur Gottheit ist, die sich nur in ihm in ihrem inneren Lebensgeheimnis offenbart und zugänglich macht. Wenn er der Christus ist, dann ist Maria Gottesgebärerin und hat als alleinigen Auftrag, zu ihrem Sohn hinzuführen.

Mit diesem Christus ist keine One-world-Religion zu machen, er sperrt sich in seinem absolutistischen Selbstanspruch gegen jede Relativierung. Er ist schlechterdings unvergleichlich. Kurz: Wenn Jesus der Christus ist, dann sind all die Artikulationen, angefangen bei Jorge Bergoglios zitierten Sätzen bis zu den unzähligen Statements der bergoglianischen Bischöfe, logisch unmöglich. Was umgekehrt heißt, daß diese Statements, sofern die Herren noch einigermaßen bei Verstand sind, die bewußte, wenn auch explizit uneingestandene Negation der klassischen Christologie voraussetzen. Darüber kann die ganze Barmherzigkeitsrhetorik und scheinbare Jesus-Nähe in der bergoglianischen Deutung des Neuen Testamentes nicht hinwegtäuschen. Im Grunde erscheint Jesus in diesen Exegesen – wie schon bei Goethe – als der maßgebliche Gegner des Christus.

Damit haben wir einen erschütternden Befund vor uns gebracht. Im Unterschied zu Päpsten wie Johannes XXII. oder Honorius, die einzelne Elemente der kirchlichen Dogmatik falsch verstanden, besitzt Franziskus die Chuzpe, sich über das Ganze der kirchlichen Tradition herzumachen und das Vorzeichen vor dem Gesamten zu ändern. Damit bricht die katholische Kirche vollständig in sich zusammen. Die Kirche des Jorge Bergoglio hat mit der, von der die Tradition handelt, substantiell nichts mehr zu tun, sie ist in der Sache etwas radikal anderes. Allerdings müssen wir uns nunmehr, nach langen Verdrängungs- und Beschönigungsversuchen, endlich eingestehen, daß die theologische Traditionslinie, in der Franziskus steht, schon immer genau diese Transmutation beabsichtigte.

Es wäre im übrigen ein wichtiges Unterfangen, genau zu untersuchen, welche Rolle die drei relevanten Vorgängerpäpste in diesem Geschehen tatsächlich spielen. Das ist, vor allem im Blick auf Josef Ratzinger, viel komplexer, als es die konservativen Idolatrien Benedikts wahrhaben möchten. Man muß sich nur die Frage stellen, wie es erklärbar ist, daß nach dem deutlich über drei Jahrzehnte währenden Gemeinschaftspontifikat von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. unmittelbar das passieren konnte, was wir nun schon seit elf Jahren erleiden. Das kann nicht nur mit personalpolitischen Fehlentscheidungen und mangelndem psychologischem Judiz zusammenhängen.

Wie auch immer:

Die Kirche hat einen Zustand erreicht, in dem der Christus nicht nur vielen Amtsträgern anstößig und peinlich geworden ist.

Der Geist des übernatürlichen Mysteriums ist – unter heftiger päpstlicher Assistenz – aus der Kirche weitflächig gewichen, sie ist zu einem Saustall verkommen.

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Diese Verleugnung durch seine eigene Kirche wird sich der Herr nicht gefallen lassen.

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*Vigilius, der Autor dieses Beitrags, wird ab Mai 2024 zusammen mit anderen Autoren den Blog www.einsprueche.com starten, auf dem regelmäßig Essays zu theologischen und philosophischen Themen erscheinen sollen.